Zuletzt aktualisiert am 13. August 2017 um 21:35
Vor rund 7.000 Jahren ließen sich hier die ersten Menschen nieder. Sie bauten um 3600 v. Chr. Tempel wie Ggantija: Die beigefarbenen Kalksteine der Insel schichteten sie zu ovalen Hallen auf. Von oben erinnert mich der Grundriss des Bauwerks an den Körper einer fülligen Frau. Manche Wissenschaftler vermuten eine matriarchalische Kultur, die einer Fruchtbarkeitsgöttin huldigte.
Friedliche Insel Gozo
Es gab kein Metall, keine Waffen oder Krieger. Niemand weiß, was aus diesen friedlichen Leuten geworden ist. Sie sind verschwunden. Schade. Ich hätte sie gerne auf Gozo getroffen, lieber als Phönizier, Karthager, Römer, Araber, Briten und andere Eroberer, die nach ihnen kamen. Gedankenverloren setze ich mich nach dem Rundgang durch dieses Weltkulturerbe in den Bus nach Rabat. Die Wochenkarte für das dichte Busnetz auf Malta und Gozo kostet 6,50 Euro, aber die Busse stecken oft im Stau, nach 22 Uhr fahren sie kaum noch).
Königliches Städtchen mit zwei Opernhäusern
Seit rund 160 Jahren trägt das Hauptstädtchen Rabat zusätzlich den Namen der damaligen englischen Königin Victoria. Mitte des 19. Jahrhunderts hatte der Wiener Kongress die Inseln dem britischen Empire zugesprochen. Seitdem ist Englisch neben Maltesisch Amtssprache. Das Städtchen mit seinen engen Gassen um den großen Marktplatz leistet sich zwei Opernhäuser, beide nur einen Steinwurf voneinander entfernt.
In einer Kammer neben seinem Restaurant rührt Ricardu Zammit frischen Schafskäse an.
Konzentriert füllt er Häufchen der weißen Masse in faustkleine Plastikkörbchen. Das mehr als 300 Jahre Haus mit den zwei Meter dicken Mauern hat er selbst restauriert. Seine Leidenschaft gilt dem Wein. Den Käse dazu habe er anfangs von Bauern gekauft. Jetzt macht er ihn selbst: „Schmeckt besser.“ Sein Geheimrezept: Der Käse wird mit Olivenöl, Rosé vom eigenen Weinberg und viel Liebe verfeinert.
Nur von Landwirtschaft kann im dicht besiedelten Malta kaum noch jemand leben. Die Flächen sind klein, Boden teuer und die Konkurrenz aus den anderen EU-Ländern zu billig. Deshalb veredelt Ricardo die Schafsmilch und verkauft den Käse direkt an die Konsumenten. Die strengen Hygieneregeln der EU erschweren vor allem Kleinbauern das Überleben. Maschinen, die den Brüsseler Vorschriften genügen, können sie kaum bezahlen. „Dafür bin ich auch jeden Tag draußen bei meinen Tieren. Die machen keinen Urlaub.“
In der Hauptstadt Valletta servieren immer mehr Restaurants die Spezialitäten der Inseln: Fisch, zum Beispiel in knoblauchreicher Aljotta (Suppe), Ravjul (Ravioli) oder die Reis-Hackfleischpfanne Ross fil Forn. Das Legligin in der Santa Lucia Street entdecke ich zufällig auf einem Spaziergang durch die Altstadt. Im Kerzenschein sitzen ein paar Leute beim Essen. Die Wirtin des Kellergewölbes kommt gleich auf mich zu. „Wir sind ein Konzept-Restaurant.“ Eine Speisekarte gibt es nicht, dafür jeden Abend ein „Probiermenü“ aus zwölf verschiedenen kleinen maltesischen Gerichten für rund 25 Euro: Pasta, Meeresfrüchte und mehr. Wer an einem der rohen Holztische speisen möchte, sollte reservieren.
Die beiden Galerien ein paar Häuserblocks weiter unten öffnen erst abends. Dort erzählt mir Jörg, ein deutscher Innenarchitekt, von den Veränderungen auf der Insel. Malta sei offener geworden, vor allem durch das Internet. Jobs hat Jörg genug. „Hier gibt es eine Menge Leute mit Geld.“
Barocke Stadt vom Reißbrett
Die Malteser gelten als geschäftstüchtig. Das waren sie schon vor 500 Jahren. Im 16. Jahrhundert bauten die Johanniter auf einem Felsen am Meer eine komplett neue barocke Stadt: Valletta – seit 1980 Weltkulturerbe und 2018 Europäische Kulturhauptstadt. Für Autos sind die Straßen zu schmal.
Südlich des Sankt-Georgs-Platzes erstreckt sich der Grand Harbour, eines der größten natürlichen Hafenbecken der Welt. Den besten Blick über den Hafen bietet der Park Upper Barakka Gardens am Eingang zur Altstadt. Fast jeden Tag läuft ein Kreuzfahrtschiff ein oder aus.
Mit dem Fischer über den Hafen
Vallettas schnellste und schönste Wege führen über das Wasser.
Auf der Nordseite der Altstadt legt neben dem Freibad die Fähre nach Sliema ab, auf der Südseite die Boote für die Hafentouren (Grand Harbour). Ich bevorzuge eines der bunten alten Holzboote, in denen ehemalige Fischer Touristen durch den Hafen schippern.
So gelange ich mit ein paar anderen Touristen in einer maltesischen „Dgħajsa“ nach Birgu auf der anderen Seite des Hafens.
„Die Fischerei“, erzählt mir der Mann, „lohnt sich nicht mehr.“ Deshalb fahre er mit seinem alten Fischerboot jetzt Touristen durch den Hafen. Bald gehe er in Rente. Und dann? „Mal schauen“, sagt er, schließt die Augen und hält sein wettergegerbtes Gesicht genüsslich der untergehenden Sonne entgegen.
Eine Antwort auf „Malta: Goldgelber Barock im tiefblauen Meer“
[…] Göteborg an Schwedens Westküste, San Sebastián / Donostia, Barcelona, Oslo, Riga, Tallinn, Valletta oder Belfast, auf dessen Werft einst die Titanic entstand. Nächste Woche (5.-10.1.2016) gehe ich […]