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Reisen wie Greta Thunberg:

Fährst Du schon oder fliegst Du noch?

Wie wir in den Ferien Klima, unseren Geldbeutel und unsere Nerven schonen 

Wir fliegen. Greta fährt. Während unsereins jedes Jahr zwei-, drei- oder mehrmals für ein paar Franken nach London, Lissabon oder Lanzarote jettet, nimmt Greta den Zug. Die Bilder der 16jährigen Greta Thunberg mit ihrem Rucksack und ihrem Schild „Schulstreik für das Klima“ gingen Anfang Jahres um die Welt. Die Aktivistin fuhr konsequenterweise mit der Bahn zum Weltwirtschaftsgipfel. 24 Stunden und 8 Minuten mit vier Mal umsteigen zeigt die SBB auf ihrer Internetseite als schnellste Verbindung von Stockholm nach Davos an. Zum Kauf des Tickets verweist die Schweizer Bundesbahn SBB an ihre Telefon-Hotline oder einen Schalter.

Fliegen ist schneller, für den Touristen billiger und das Ticket mit ein paar Klicks gebucht. Klima, Umwelt, Lärm. Wen interessiert’s? Zum Glück doch nicht so wenige. Es sind die Menschen, die auch in den Ferien dem Klima, der Umwelt und ihrem Reiseziel möglichst wenig schaden möchten. 

„Nachhaltig“ sind jetzt alle, aber was heißt das?

Deshalb werben immer mehr Reiseveranstalter, Hotels, Reisegebiete und Transportunternehmen mit der „Nachhaltigkeit“ ihrer Angebote. 

, Foto: Robert B. Fishman
Koreanischer Imbissstand auf dem Berlin Travel Festival in Berlin, Foto: Robert B. Fishman

In Deutschland haben sich zum Beispiel rund 140 Reiseveranstalter zum „Forum Anders Reisen“ zusammengeschlossen. In einem umfassenden Kriterienkatalog verpflichten sie sich, mit ihren Reisen die Umwelt und das Leben der Einheimischen in den Zielgebieten möglichst wenig zu belasten. Die Gäste wohnen in kleinen Hotels und Pensionen, die Einheimischen gehören. Diese sollen möglichst umweltschonend wirtschaften, indem sie zum Beispiel wenig Energie und Wasser verbrauchen sowie in der Umgebung erzeugte, frische Lebensmittel servieren. Die Urlauber bekommen so Einblick in den Alltag und das Geld, das sie ausgeben, bleibt im Land. Vor Ort bewegt man sich möglichst mit Linienbussen und -schiffen, der Bahn, zu Fuss, zu Pferde oder mit dem Velo. Das schont nicht nur die Umwelt. Auf den von ortskundigen Übersetzern begleiteten Radtouren oder Wanderungen kommen die Reisenden überall mit den Anwohnern ins Gespräch. „Wir lassen uns Zeit, zum Beispiel für Laos und Kambodscha mindestens 24 Tage“, verspricht etwa Forum-Mitglied „Auf-und-Davon-Reisen“. 

Straßencafe im Altstadtviertel Haga in Göteborg
Strassencafe im Altstadtviertel Haga, Foto: Robert B. Fishman, ecomedia, 15.6.2013

Kurzstreckenflüge über weniger als 700 Kilometer Entfernung sind wegen der Folgen fürs Klima ausgeschlossen. Reisen in ferne Ländern dauern mindestens zwei, besser noch drei Wochen. Die Touristen sollen so lieber seltener verreisen und dafür länger am Zielort bleiben. Dann können die Veranstalter auf viele Inlandsflüge im Reiseland verzichten und ihre Kunden stattdessen mit Bussen, Bahnen, Schiffen und anderen weniger umweltschädlichen Verkehrsmitteln transportieren. 

Radfahrer auf dem Weserradweg in Höxter
Weserradweg in Höxter, Foto: Robert B. Fishman

… gar nicht langweilig

Umweltverträglicher Tourismus kann spannend sein:  Geboten sind Walbeobachtungen im Atlantik, Velotouren durch Kirgisien oder mit einem einheimischen Künstler durch New York, Reiterwanderungen durch die mongolische Steppe, Kulturcamps mit kanadischen Indianern oder Entdeckungsreisen durch den Regenwald in Costa Rica. Entwicklungsorganisationen wie die deutsche giz (Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit) helfen abgelegenen Dorfgemeinschaften in Afrika, Indochina und Südamerika auf dem Weg in den sanften Tourismus. Wer es ins westafrikanische Benin ohne Reiseveranstalter schafft, darf bei Voodoozeremonien mitmachen, bei den Bauern in ihren Hütten schlafen und sich die Löwen, Leoparden, Hyänen und Elefanten des Pendjari Nationalparks zeigen lassen. Im Westen Ecuadors führen Indianer die bisher wenigen Touristen durch den tropischen Regenwald, nehmen sie mit auf die Jagd und lassen sie am Dorfleben teilhaben. Hinter alledem steckt die Erkenntnis, dass die Menschen nur dann die Natur schützen und ihre Kulturen bewahren, wenn sie damit ihren Lebensunterhalt verdienen können.

Frau schaut in den Sonnenuntergang am Ostsee-Strand von Jurmala
Frau schaut in den Sonnenuntergang am Ostsee-Strand von Jurmala, Foto: Robert B. Fishman

Die sanfte Welle

Auch in Europa entdecken immer mehr Hoteliers und Tourismusmanager die sanfte Welle. Die Urlaubsgebiete legen Naturprogramme für die Touristen auf. In Deutschland kann man, geführt von Nationalparkrangern und Förstern, auf Goethes Spuren die Wege des wieder angesiedelten Luchses im Harz erkunden. Die Schweizer Naturfreunde haben den 650 Kilometer langen Kulturweg Alpen KWA als Wanderweg vom Genfer See ins Bündner Land wieder belebt.

Wanderungen auf historischen Handels- Schmuggler- und Partisanenwegen wie der Senda Sursilvana oder der Grossen Alpenquerung Grande Traversata delli Alpi (GTA) bietet Tra Cultura e Natura an. Das Programm verspricht unterwegs viele Begegnungen mit Einheimischen – auch in Graubündner Dörfern, wo noch jeder zweite von der Landwirtschaft lebt und der Alltag rätoromanisch geblieben ist. Die Reisenden wohnen in kleinen Privatquartieren und erfahren viel über die Geschichte der alten Pfade, auf denen sie wandern. 

Möwen im Sonnenuntergang am Ostsee-Strand von Jurmala
Möwen im Sonnenuntergang am Ostsee-Strand von Jurmala, 4.6.2019, Foto: Robert B. Fishman

Infos

Organsationen:

VCS Verkehrs-Club der Schweiz für nachhaltige Mobilität und Reisen mit Links zu zahlreichen umwelt- und sozialverträglichen Reiseangeboten. Deutschland ist es der VCD, in Österreich der VCÖ.

Der Schweizer Arbeitskreis Tourismus und Entwicklung (AKTE) beschäftigt sich intensiv mit nachhaltigem Tourismus: Auf präsentiert der Arbeitskreis umwelt- und sozialverträgliche Reiseangebote aus der ganzen Welt.

Die 2001 gegründete Schweizerische Stiftung für Solidarität im Tourismus SsT unterstützt Organisationen, Projekte und Initiativen, die eine nachhaltige Tourismusentwicklung verfolgen:

In Deutschland verleiht der Studienkreis für Tourismus und Entwicklung in Zusammenarbeit mit der SsT jedes Jahr Preise für besonders umwelt- und sozialverträgliche Reiseangebote, bietet interkulturelle Trainings für Reiseleiter und andere Beschäftigte der Tourismus-Branche an und gibt die Sympathiemagazine heraus, in denen Autorinnen und Autoren Reiseländer vorstellen.

Urban Gardening: selbstverwalteter Stadtgarten in Göteborg,
Urban Gardening: selbstverwalteter Stadtgarten in Göteborg, Foto: Robert B. Fishman

Die Verbraucherinitiative e.V. hat zahlreiche Tipps zu einem nachhaltigeren Leben (und Reisen) ins Netz gestellt.

Die Naturfreunde Schweiz NFS betreiben landesweit zahlreiche umweltfreundlich gestaltete Ferienunterkünfte, Naturfreunde International mit Infos zu Klimagerechtigkeit, sozialverträglichem Tourismus. Europa- und weltweite Angebote haben sie auch. Die Naturfreunde gibt es auch in Deutschland und Österreich.

Italien: A.I.T.R. – Associazione Italiana Turismo Responsabile  (Italienischer Verband für verantwortlichen Tourismus) mit zahlreichen Angeboten der Mitgliedsunternehmen

Über die Internetseite www.atmosfair.de sammelt die gemeinnützige Organisation Atmosfair Geld für Klimaschutzprojekte. Ein Programm errechnet online die Kohlendioxid-Abgase eines Fluges, die man dann mit einer entsprechenden Spende ausgleichen kann. Ähnlich funktioniert My Climate.

Auf Inlineskates durch Riga
Inlineskater in Riga an der Laima-Uhr

Anbieter

Zu den Perlen der Alpen (Alpine Pearls) haben sich 23 Tourismusorte in den Alpen zusammengeschlossen. In der Schweiz sind unter anderem Interlaken und Arosa dabei.

Ähnliche Angebote weltweit mit besonderem Anspruch an die Nachhaltigkeit haben die unter dem Label Green Pearls vereinigten Hotels, Ferienhäuser und Reiseziele www.greenpearls.com/de/

Einige Buchungsportale vermitteln online Hotels, Ferienwohnungen und andere  – auch in der Schweiz -, die auf Nachhaltigkeit achten, zum Beispiel Book it Green oder Good Travel.

Reiseveranstalter, die mit ihrem Angebot Klima, Umwelt und Natur besonders schonen wollen, haben sich zum Forum Anders Reisen zusammengeschlossen.

nne-Stausee
Angler-Boot auf dem Henne-Stausee im Sauerland im Morgenlicht Foto: Robert B. Fishman

Auf der Internetplattform Viabono bieten mehr als 200 Hotels, Pensionen, Tourismusorte und -regionen sowie Campingplätze ihre auf Umweltverträglichkeit geprüften Leistungen an. Auf der Seite finden sich unter nachhaltiges Reisen auch zahlreiche Tipps für genussvolle Reisen, das auch den Menschen und der Natur am Urlaubsort gut tut.

Urlaub auf Biobauernhöfen in der Schweiz und anderswo:

Bio-Hotels in der Schweiz, Österreich, Deutschland, Italien und Slowenien:

junge Leute steigen aus einem Fahrradrischa-Taxi am Maria Hilf Platz in München, dahinter ein PKW-Taxi, 6.5.2016, Foto: Robert B. Fishman

Bahn

70- 80% der Klimaschäden verursachen die meisten Urlauber bei der Anreise, vor allem wenn sie das Flugzeug nehmen. Die Österreichische Bundesbahn ÖBB betreibt in ganz Europa zahlreiche Nachtzugverbindungen als Alternative zum Flug. Mehr über Bahnreisen in aller Welt findet sich auf dem Zugreiseblog und auf dem Blog Anders Reisen .

Lesen

FAIRreisen : Das Handbuch für alle, die umweltbewusst unterwegs sein wollen von Frank Herrmann, Oekom-Verlag, München, 2016

Magazin für „nachhaltige“ Reisen in Europa

Das enorm Magazin für nachhaltiges Wirtschaften hat zahlreiche Artikel mit Tipps für nachhaltigere Ferien auf seine Seite gestellt

Das Online-Magazin Utopia gibt praktische Tipps für ein entspanntes klima- und umweltfreundlicheres Leben und Reisen

Festival

Zeitgleich mit der grössten Tourismusmesse ITB bietet jedes Jahr Anfang März das „alternative“ Berlin Travel Festival zahlreiche Inspirationen zum umwelt- und sozialverträglichen Reisen.

Von Robert B Fishman

freier Journalist, Autor (Hörfunk und Print), Fotograf, Moderator, Reiseleiter und mehr

2 Antworten auf „Reisen wie Greta Thunberg:“

Ich bin gespannt wie sich die Branche weiterentwickeln wird. Bei der schwedischen Airline Braathens gibts zum Beispiel schon seit April einen automatischen CO2-Ausgleich etc. – spannende Zeiten.

Hallo Robert,
ein interessanter Artikel und sehr passend mit Fotos bebildert. Also in dem Rahmen scheint mir „Nachhaltigkeit“ auf Reisen mehrheitstauglich, auch wenn die Fernflüge nicht ganz dazu passen. Aber auf die würde auch ich selbst nur ungern verzichten. Weniger fliegen und dafür länger vor Ort bleiben, ist dagegen schon lange Jahre meine Devise.
LG
Stefan

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