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Mare Nostrum: Die Spur der Steine

Ein Künstler erzählt die Geschichten von Reisen, die tödlich enden

München. Still sitzt Peter Weismann im schattigen Innenhof des Münchner Cafés und Kulturzentrums Bellevue di Monaco, das Geflüchteten beim Ankommen in München hilft, sie berät und einigen von ihnen einen menschenwürdigen Arbeitsplatz verschafft. Dann setzt er seine Atemmaske auf, greift zur Schleifmaschine und fräst den nächsten Namen in einen der vielen Isarkieselsteine, die vor ihm auf dem Klapptisch liegen.  „Mann, ertrunken, gefunden nahe El Sarchal, Ceuta“, steht in schwarzer Schrift auf einem der faustgroßen, glatten Steine, “Ahmed” auf einem anderen. Die meisten nennen „N.N.“ (no name), eine/n der vielen Toten, die niemand mehr identifizieren konnte. Zwei Buchstaben für ein verlorenes Leben.

Künstler Peter Weismann graviert in München je einen Isarkiesel für jeden im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtling und trägt die Steine zurück an die Isar / Artist Peter Weismann in Munich engraves names of refugees who had drowned in the Mediterranean onto Isar river stones and takes the stones back to the river,  5.7.2019, Foto: Robert B. Fishman
Künstler Peter Weismann graviert in München je einen Isarkiesel für jeden im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtling und trägt die Steine zurück an die Isar / Artist Peter Weismann in Munich engraves names of refugees who had drowned in the Mediterranean onto Isar river stones and takes the stones back to the river, 5.7.2019, Foto: Robert B. Fishman

Todesursache: Flucht

35.000 Opfer listet das Buch „Todesursache Flucht“ auf. Menschen, die auf der Flucht über das Mittelmeer umgekommen sind, die meisten ertrunken, weil ihre überladenen Boote gesunken sind. Peter Weismann will, dass wir sie nicht vergessen.

Immer wieder geht der 75jährige Weismann an die Isar, sammelt die vom Fluss glatt geschliffenen Steine, bringt sie in seine Werkstatt unter freiem Himmel und graviert sie mit weiteren Namen oder den beiden Buchstaben N.N.. 500 waren es Anfang Juli. 

Künstler Peter Weismann graviert in München je einen Isarkiesel für jeden im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtling und trägt die Steine zurück an die Isar / Artist Peter Weismann in Munich engraves names of refugees who had drowned in the Mediterranean onto Isar river stones and takes the stones back to the river, 5.7.2019, Foto: Robert B. Fishman

Migration ist kein Verbrechen

„Alle acht Meter“ will er einen der beschrifteten Steine an die Isar zurück legen, von der Quelle des Flusses in den Alpen bis zur Mündung in die Donau. Migration, sagt er in der ihm eigenen ruhigen, unaufgeregten Art, ist „Teil der Menschheitsgeschichte seit Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben wurden.“ Der Mensch wandere über die Erde auf der Suche nach Bedingungen, die sein Leben sichern. „Migration ist Menschsein – kein Verbrechen.“ Verlagsbuchhändler Politologe, Theater-Regisseur Peter Weismann will die Poesie und Ästhetik zeigen, die in der Geschichte dieser Menschen steckt und vor allem will er, dass wir nicht wegsehen, wenn Flüchtende im Mittelmeer ertrinken. „Mare Nostrum“, nennt er sein Landschaftskunst-Projekt. Es ist unser Meer.

Von Robert B Fishman

freier Journalist, Autor (Hörfunk und Print), Fotograf, Moderator, Reiseleiter und mehr

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