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Eilat: Urlaub vom Krieg am anderen Ende der Wüste

Zuletzt aktualisiert am 8. August 2017 um 22:17

Eilat. Israels südlichster Punkt ist sicher: 400 Kilometer Wüste trennen die Retortenstadt von Anschlägen, Raketeneinschlägen und Bomben. Kein Wunder, dass nicht nur die Israelis den Wüstenstrand am korallenreichen, nördlichsten tropischen Meer der Welt schätzen….

„Tauchen kann jeder“ behaupten die jungen Leute am Strand von Eilat, für die die Hippiezeit nie zu Ende ging. In ihren aus Brettern und Netzen gezimmerten Ständen erklären sie Urlaubern das Leben unter Wasser. Der junge Mann formt aus Daumen und Zeigefinger einen Kreis. „Das heißt ‚alles ok’“. Wenn es Dir gut geht, erwidere es, wenn nicht, gib mir ein Zeichen. Finger nach oben heißt auftauchen – „aber nicht zu schnell, sonst bekommst Du Probleme mit dem Druck.“ Wenn Wasser in die Brille läuft, halte die Luft an und atme durch die Nase aus. So. Nach zehn Minuten Taucheinführung steht wieder eine Gruppe Tauchnovizen in schwarzen Neoprenanzügen und Taucherflossen, die Unterwasserbrillen in der Hand, unsicher am Kieselstrand.

Auf der anderen Seite der Bucht weht die schwarz-weiss-grün-rote Flagge des Königs. „Die größte Fahne der Welt“, erklärt der Tourguide. Sie gehört dem haschemitischen König von Jordanien wie das Ostufer des Golfs von Eilat mit der Stadt Akaba. 17 Kilometer misst das schmale Stück Israel am Roten Meer von der ägyptischen bis zur jordanischen Grenze. Dazwischen: die Tauchschulen, ein Hafen, in dem Tag und Nacht graue Frachtschiffe japanische Kleinwagen ausspucken und Hotels, Hotels, Hotels. Das Dan, das Princess, das Isrotel, der Luxuspalast „Harrods“. Weniger als vier Sterne trägt keines der Betongebirge an der von schicken Läden und ramschigen Ständen gesäumten Strandpromenade.

Wellness Räume am Dolphin Reef in Eilat

Tauchen für Feiglinge wie mich

Auf Kommando spucken alle in ihre Taucherbrille. „Jetzt verreiben“, ruft die Tauchlehrerin. Alle gehorchen und setzen ihre nun anlaufsicheren Gläser auf. Der dicke, weiche Neoprenanzug schützt vor dem frischen Nordwind, der über das tiefblaue Wasser bläst. Selbst im Winter fällt die Temperatur des nördlichsten tropischen Meeres kaum unter 22 Grad. Nach 20, 30 Metern erreicht es die Unterkante der Taucherbrillen. „Gleichmäßig durch den Mund atmen“, hat die Tauchlehrerin immer wieder gesagt. Fünf Meter lange Schläuche verbinden die Mundstücke der Taucherausrüstungen mit den Sauerstoffflaschen, die auf einem Floß an der Oberfläche schwimmen. „Snuba-Diving“ heißt diese besonders sichere Variante des Tauchens ohne Flaschen auf dem Rücken.

Leise steigen die Luftblasen aus dem Mundstück nach oben. Ab und zu tauchen gelbe, orangefarbene und graue Fische aus dem Blaugrau auf. Am nahen Meeresboden dösen einige von ihnen in den Armen der weißen Seeanemonen, die sich in den Wellen wiegen. Manche Korallen gleichen bunten, runden Sofakissen andere den Zweigen bizarrer, rosa-weißer Bäume. Die Unsicheren unter den Tauchnovizen hat die Lehrerin an die Hand genommen. Immer wieder fragt sie per Handzeichen „alles ok?“.

Zurück an Land gibt es eine heiße Dusche mit Blick in die steil zum Meer hin abfallenden braunen Felswände der Negevwüste. Gut 400 Kilometer Negevwüste, bizarre Felsformationen, von winterlichen Sturzregen ausgewaschene Schluchten und weite, Mondlandschaften ähnliche steinerne Hochebenen trennen Eilat vom dicht besiedelten Zentrum des Landes. Am Roten Meer leben Israelis für ein oder zwei Wochen im Jahr ihren Traum von unbeschwerter Normalität: Sie genießen Sommer, Sonne, Strand, wandern durch die friedliche Wüste und sitzen in Cafés und Restaurants in denen niemand versucht, sich und möglichst viele Gäste in die Luft zu sprengen.

Am anderen Ende der Wüste schlagen in Sderot und anderen Grenzorten jeden Tag die Kassam-Raketen aus dem Gaza-Streifen ein. Den Kindern von Sderot hat ein Millionär für ein paar Tage Hotelzimmer in Eilat gemietet. In Scharen ziehen sie ausgelassen über die Promenade und bestaunen durch die Fenster des Unterwasser-Observatoriums Coral World die bunte Welt auf dem Grund des Roten Meeres. Ein paar erholsame Nächte ohne Luftalarm und ganz normale Tage im Sonnenschein geben ihnen eine Ahnung, wie ein Leben im Frieden aussehen könnte.

Der einstige Beduinenflecken am Roten Meer zieht neben Scharen von Urlaubern Abenteurer und Wüstenfreaks wie Alfonso an. Der Schweizer hat in Nordafrika und vielen Ländern Asiens vor allem für das Rote Kreuz Hilfstransporte organisiert. Heute zeigt er Touristen die Geheimnisse der Wüste. In der scheinbar gottverlassenen Einsamkeit, die direkt am Rande des 55.000 Einwohner-Städtchens beginnt, leben Wölfe, Schakale, Gazellen, Steinböcke und viele kleine Tiere, von denen die meisten Europäer noch nie etwas gehört haben. Alfonso zeigt den Touristen ihre Spuren.

„Den kleinen Bruder des Elefanten“ nennen die Afrikaner die frechen, braunen Fellknäuel, die vor den Fenstern mancher Hotels auf Brocken warten, die von den Tischen der Gäste abfallen. Von weitem sehen sie aus wie Murmeltiere. Draußen in der Wüste leben sie in Rudeln, die bei Annäherung von Menschen auseinander stieben.

Land Rover in der Negev Wüste unter einer Wüstenakazie

Meistens haben die Klippschliefer und die anderen Wüstenbewohner ihre Ruhe. „Die Wüste macht den Städtern Angst“, sagt Alfonso, während er seinen Land-Rover sicher über die holprigen Stein- und Geröllpisten vorbei an steinernen Fratzen und Fabeltieren steuert. Hier sieht ein Felsen aus wie eine riesige rosa-gelbe Kröte, dort eine Wand wie das Abbild eines Außerirdischen. Die Kamele, die Touristengruppen auf Pfaden durch die karge Landschaft tragen, fressen hin und wieder eines der letzten Blätter, die an den ausgetrockneten Büschen hängen.

Nach einem Tag in der Wüste erscheint Eilat wie ein lautes Ufo, das sich auf dem Weg in die Welt an diesen steinigen Strand verirrt hat. Wenn die untergehende Sonne die steil aufragenden Felsen hinter den Hotels in weiches rosa Licht taucht, strömen die Touristen in den rotbraunen Klotz, den die Einheimischen spöttisch den „Dritten Tempel“ nennen: Ein Einkaufszentrum mit Klamottenläden, Supermärkten und Restaurants, deren Besitzer mit Sonderpreisen werben. Der Finanzminister hat die Eilater Läden von der Mehrwertsteuer befreit. Dennoch ist manches teuerer oder jedenfalls nicht billiger als anderswo in Israel. Aber was soll’s. Man hat Urlaub.

Im Freizeitpark Kings City fahren die Touristen in Booten durch nachgebaute biblische Landschaften. Lautsprecherstimmen erzählen Geschichten aus den Zeiten der Pharaonen und aus dem Leben von Moses. Zum Schluss rasen die Boote eine steile Wasserrutsche hinunter. Im Erdgeschoss des Freizeitturms warten ein Spiegellabyrinthe und zahlreiche physikalische Experimente auf Neugierige.

Im Dolphin Reef Eilat bestaunen sich Delfine und Menschen gegenseitig.

Delfin am Dolphin Reef

Gut ein Dutzend zahmer Delfine schwimmt frei im Roten Meer herum. Auf Pontons warten Touristen auf die Tiere, die gerne mal ihre Nasen aus dem Wasser stecken und sich – je nach Laune – von den Besuchern streicheln lassen. Bis vor wenigen Jahren gab es zwischen dem offenen Meer und dem Dolphin Reef keinen Zaun. Nachdem zu viele Urlauber von Booten aus die Tiere gefüttert haben und manche ihnen sogar Flaschen ins Atemloch steckten, zäunte das Delfinarium sein Gelände ein. Wer die Delfine unter Wasser erleben will, kann einen geführten Tauchgang inklusive Scuba-Ausrüstung im Delfinarium buchen. Tauchen kann jeder. Ob sich ein Delfin für die seltsamen schwarzen Figuren mit den Schläuchen im Mund interessiert, weiß man erst hinterher.

 

Info:

Israelisches Verkehrsbüro, Friedrichstr. 95, 10117 Berlin, Tel. 030.2039970

Eilat Information Center,

Delfinarium: Die Delfine leben hier im offenen Meer. Wer Glück hat, trifft sie beim Tauchen oder Schnorcheln. Billig ist der Versuch allerdings nicht.

Tauchen: Bei Snuba gibt es eine Einführung ins Tauchen mit Flaschen. Die Lehrer passen gut auf ihre Schützlinge auf. Unter Wasser wartet eine neu, friedliche Welt: Bunte Korallen, bizarre Fische…

Wüsten-Nationalpark Timna

Der Bibel-Freizeitpark King City Freizeitpark

Coral World Unterwasserobservatorium

Alfonso Desert Tours

Grenzposten an der ägyptisch-israelischen Grenze bei Eilat
Eilat: Blick auf die Stadt und den Hafen

Hinweis: Die Recherche zu diesem Beitrag wurde unterstützt vom staatlichen israelischen Verkehrsbüro go israel

Von Robert B Fishman

freier Journalist, Autor (Hörfunk und Print), Fotograf, Moderator, Reiseleiter und mehr

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