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Maribor- Europäische Kulturhauptstadt 2012: Deutschlandfunk-Spezial mit meinen Reportagen

Zuletzt aktualisiert am 7. Juli 2017 um 0:15

 

Leicht hat es Maribor im Osten Sloweniens auch als Europäische Kulturhauptstadt 2012 nicht: Abwanderung, Wirtschaftskrise und leere Kassen. Trotzdem gibt es einige spannende Projekte, wie die Sondersendung Corso Spezial des Deutschlandfunks   mit zwei meiner Reportagen) zeigt….

 

Urban Furrows (städtische Furchen): Die meisten Bauern im bergigen Osten Sloweniens haben schon aufgegeben. Die Städter kaufen bei Hofer (der österreichischen Aldi-Variante) und Lidl die billigeren Lebensmittel aus Westeuropa. Ein Projekt der Europäischen Kulturhauptstadt 2012 bringt nun örtliche Landwirte und Verbraucher wieder zusammen:

Schriftstellerin und Projektmitarbeiterin Natascha Kramberger im alten leerstehenden Dorfgasthaus ihres Heimatdorfes Jurvski Dol, das im Rahmen des Kulturhauptstadt-Projekts Urban Furrows wieder aufgebaut werden soll / author Natasa Kramberger in historic village pub in Jurovski Dol which the European Capital of Culture project Urban Furrows wants to rebuild., 18.6.2011 / Foto: Robert B. Fishman, ecomedia,
Schriftstellerin und Projektmitarbeiterin Natascha Kramberger im alten leerstehenden Dorfgasthaus ihres Heimatdorfes Jurvski Dol, das im Rahmen des Kulturhauptstadt-Projekts Urban Furrows wieder aufgebaut wird, Foto:  Robert B. Fishman, ecomedia,
altes leerstehendes Dorfgasthaus in Jurvski Dol, das im Rahmen des Kulturhauptstadt-Projekts Urban Furrows wieder aufgebaut werden soll / historic village pub in Jurovski Dol which the European Capital of Culture project Urban Furrows wants to rebuild., 18.6.2011 / Foto: Robert B. Fishman, ecomedia,
altes leerstehendes Dorfgasthaus in Jurvski Dol, das im Rahmen des Kulturhauptstadt-Projekts Urban Furrows wieder aufgebaut werden soll / historic village pub in Jurovski Dol which the European Capital of Culture project Urban Furrows wants to rebuild., 18.6.2011 / Foto: Robert B. Fishman, ecomedia,

 

Baeuerin Marica zeigt ihren Gemuesegarten / farmer Marica showing her vegetable garden / 18.6.2011, Foto: Robert B. Fishman, ecomedia,
Bäuerin Marica zeigt ihren Gemüsegarten

 

 

Denkmal fuer die Opfer des Zweiten Weltkriegs vor dem Schloss in Maribor, im Volksmund wegen seiner Form "Kojak" genannt / memorial for the victims of World War II in front of the city castle, locals call it Kojak / 18.6.2011 / Foto: Robert B. Fishman, ecomedia,
Denkmal fuer die Opfer des Zweiten Weltkriegs vor dem Schloss in Maribor, im Volksmund wegen seiner Form „Kojak“ genannt

 

Weinselig und weltoffen

Das slowenische Maribor wird Europäische Kulturhauptstadt 2012

Von Robert B. Fishman

Maribor. Rekordverdächtig sieht das beschauliche Städtchen nicht aus: Die roten Ziegeldächer der Altstadt leuchten aus der grünen Hügellandschaft der südlichsten Alpenausläufer. Die Innenstadt mit ihren Bürgerhäusern aus der österreichisch-ungarischen K&K-Zeit ist inzwischen weitgehend renoviert. Dazwischen erinnern wuchtige graue Betonklötze und mehr oder weniger abbruchreife Altbauruinen an die realsozialistische Stadtplanung des untergegangenen Jugoslawien. Und doch hat es Maribor, die Europäische Kulturhauptstadt 2012, vor sieben Jahren mit einer einmaligen Attraktion ins Guinessbuch der Rekorde geschafft: An einem unscheinbaren Haus wächst der älteste Weinstock der Welt.

Für Jernij Lubej ist er eine Frau und ein absolutes Phänomen: „Sie ist schon in ihrem neunten Leben“, schwärmt der Museumsführer von der Sehenswürdigkeit in Maribor, die es bis ins Guinessbuch der Rekorde geschafft hat.  Der älteste Weinstock der Welt, auf Slowenisch wohl weiblich, klammert sich seit 450 Jahren mit mächtigen Armen an eine unscheinbare Hauswand in Maribors ältestem Viertel, dem Lent. Feuer, Krieg, Reblaus, alles hat sie überlebt bis es 1982 fast um sie geschehen wäre. Gerettet hat die Rebe Tone Zafosnik mit einem, wie er sagt,  „chirurgischen Schnitt“. Der ältere stille Herr tritt bescheiden auf.  Er habe jahrelang in ganz Slowenien beobachtet, wie die Weinbauern ihre Pflanzen hegen und die Weinsorten studiert. So habe er eben „viel Erfahrung“ gesammelt, auch mit der Sorte Blauer Köllner, zu der die Wunderrebe gehört.

meine Radioreportage aus und über Maribor im Schweizer Rundfunk srf

Seitdem gedeiht der uralte Weinstock wieder und mit ihm der Tourismus. Wer nach Maribor kommt, bestaunt das Naturwunder und besucht das neue von der Stadt eingerichtete Weinmuseum. Normalsterbliche dürfen den Wein der Wunderrebe ansehen: Hinter Glas in einer kleinen Flasche. Die Stadt verschenkt Kostproben an besondere Gäste wie den damaligen US-Präsident Bill Clinton oder den Kaiser von Japan.

Drei Weinstraßen beginnen in Sloweniens zweitgrößter Stadt. Der Weinkeller der Vinag ist angeblich der größte Mitteleuropas. Auf drei Kilometern reihen sich Flaschen und Fässer unter der Erde.  Darüber, auf dem Schlossplatz und in den zur Fußgängerzone aufgewerteten, kopfsteingepflasterten Altstadtgassen genießen an den vielen lauen Sommerabenden Einheimische und Touristen in den Straßencafés, was ihre Winzer keltern. Im Winter gehen viele gleich nach der Arbeit zum Schifahren. Nur sechs Kilometer vom Zentrum locken im Pohari-Gebirge zwölf Kilometer Pisten. Viele davon sind nachts beleuchtet.

„Wir sind sehr offen hier, man grüßt sich auf der Straße und fragt, wie es geht“, erzählt Marinka Kosar. In Maribor geboren und aufgewachsen hat sie „immer hier gelebt“ und wollte auch nie weg. Sie betreibt ein Reisebüro und organisiert für auswärtige Gruppen Aufenthalte in der Region. Die fröhliche Fünfzigerin schwärmt von sozial gemischten Mariborer „Stammtischen, an denen jederzeit ein Arbeitsloser und ein Anwalt einträchtig gemeinsam Fußball schauen und über Politiker schimpfen“, vom exzellenten Orchester, der Oper, dem Theater, dem einzigen Profi-Ballett Sloweniens oder der Carmina Slovenica, „einem der besten Mädchenchöre der Welt“. Tatsächlich kann sich das Kulturangebot der rund 100.000 Einwohner-Stadt sehen lassen. Jedes Jahr im Juli verwandeln sich die Altstadt und das Ufer des Flusses Drava (Drau) in ein riesiges Konzert- und Spektakelgelände. Das Lent-Festival zählt zu den größten und bekanntesten Südosteuropas mit zahlreichen Konzerten, Workshops und Straßentheateraufführungen.  „Wir lassen uns in Maribor unseren Optimismus nicht nehmen“, versichert Marinka – trotz Wirtschaftskrise und auf zwanzig Prozent gestiegener Arbeitslosigkeit.

Die Stadt stehe zu ihrer Geschichte: Straße der Partisanen heißt nach wie vor die wichtigste Verbindung zwischen Bahnhof und Innenstadt,  die vierspurige Titostraße zweigt davon ab und jenseits der alten Brücke beginnt die Straße der Revolution. Als Slowenien noch zu Jugoslawien gehörte bauten die Arbeiter in den Fabriken der Stadt Lastwagen und Busse, gossen Stahl und Eisen. Im 19. Jahrhundert hatte die Eisenbahn die ersten Industriebetriebe ins damals österreich-ungarische Marburg an der Drau gebracht. Nach der Unabhängigkeit Sloweniens mussten die meisten Fabriken aufgeben.

Überall in Maribor finden sich noch die Spuren des real existierenden Sozialismus. Direkt vor dem Schloss erinnert ein wuchtiges Mahnmal an den Zweiten Weltkrieg und die Befreiung vom Nazi-Terror. „Kojak“ nennen die Einheimischen die von Bronzestreifen überzogene haushohe Weltkugel, die an eine Glatze erinnert.

Feiern in der Bäckerei

autonomes Kulturzentrum Pekarna in Maribor in einer ehemaligen Brotfabrik der Armee: Musiker proben in einem Club / independent cultural center Pakarna in a former army bread factory: musicians training in a club in Maribor / 18.6.2011 / Foto: Robert B. Fishman, ecomedia,
autonomes Kulturzentrum Pekarna in Maribor in einer ehemaligen Brotfabrik der Armee: Musiker proben in einem CluFoto: Robert B. Fishman, ecomedia,
autonomes Kulturzentrum Pekarna in Maribor in einer ehemaligen Brotfabrik der Armee / independent cultural center Pakarna in a former army bread factory in Maribor / 18.6.2011 / Foto: Robert B. Fishman, ecomedia,
kreativer Wildwuchs in der (ehemaligen) Bäckerei
verfallene alte Haeuser in der Taborska Ulica in Maribor / old run down houses in Taborska Ulica in Maribor / 18.6.2011 / Foto: Robert B. Fishman, ecomedia,
verfallene Haeuser in der Taborska Ulica in südlich der Drau Foto: Robert B. Fishman, ecomedia,

 

Im ärmeren Süden der Stadt, jenseits der Drava, hat die jugoslawische Armee ein riesiges Areal mit Schuppen und Hallen hinterlassen. Junge Leute besetzten 1994 die ehemalige Brotfabrik der Militärs. „Pekarna“, Bäckerei, heißt des autonome Kulturzentrum mit Kneipe, Büros, Club, Konzertsaal und Übungsräumen für Bands in den bunt besprühten ehemaligen Armeebauten. Die chronisch klamme Stadt, der das Gelände inzwischen gehört, kommt mit dem Renovieren der altersschwachen Gebäude kaum hinterher. „Dead Brains“, Totes Hirn nennen sich die drei Raggaemusiker, die im winzigen, mit Graffitty bunt gesprühtem Club auf dem Pekarna-Gelände nachmittags proben. Sänger Mitja Tradnik – in Jeans, gelbem T-Shirt und mit Rastafari-Mütze auf dem Kopf – lobt den kreativen Nährboden seiner Heimatstadt: „Wir haben hier eine gute Szene, mindestens 100 Bands.“ Wer hier gute Musiker suche, werde schnell fündig. Bekannt würden aber nur wenige. Tradnik, mit Ende 30 deutlich älter als die meisten im Pekarna,  kommt vom Radio und legt seit Jahren in Clubs als DJ auf. Da habe er so viel Musik im Kopf, dass er nun selbst Stücke schreibt und singt. Das Publikum allerdings bleibt überschaubar in der kleinen Stadt. „Zu wenig für die vielen Bands hier“, meint Mitja und hofft wie viele, dass das Kulturhauptstadtjahr 2012 neue Fans bringen wird.

Info:

Ptuj feiert jedes Jahr seinen Karneval mit dem bunten Faschingsumzug „Kurentovanja“ mit skurrilen Masken und allerlei Schabernack. Hauptfigur ist der zottelige Kurent mit dickem Fell und langem Schnabel. Da flieht der Winter ganz freiwillig. In Velenje gibt es in einem stillgelegten Bergwerk ein Bergbaumuseum. Mit Helm und Schutzkleidung fahren die Besucher in den 180 Meter tiefen Schacht ein und erleben den Alltag der Bergleute nach. I Im September richtet Velenje jedes Jahr das Pipi Langstrumpf Kinderfestival aus.

Linktipps:

Touristinfo Maribor und Umgebung Partizanska Cesta 6a, 2000 Maribor, Tel. 00386.2.2346611,

Weingut Dveri Pax, Stift Admont: www.dveri- pax.com,

Nachbarstadt Ptuj- Tourismus

Slowenisches Bergbaumuseum in Velenje

Pippi- Langstrumpf- Festival in Velenje

Slowenisches Tourismusbüro

In Deutschland: Slowenisches Fremdenverkehrsamt, Maximiliansplatz 12a, 80333 München, Telefon: 089/29161202

in Österreich: Opernring 1/R/4/447, 1010 Wien, Tel. 01/7154010.

 

Von Robert B Fishman

freier Journalist, Autor (Hörfunk und Print), Fotograf, Moderator, Reiseleiter und mehr

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