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Leeuwarden, Europäische Kulturhauptstadt 2018

Unternehmergeist, Beharrlichkeit und Gemeinschaftssinn: Das kleine Leeuwarden will 2018 als Europäische Kulturhauptstadt ganz groß rauskommen
Leeuwarden. In den Grachten schimmert das gelbliche Licht der schmiedeeisernen Straßenlaternen. Auf dem  Straßenpflaster glitzern die hellen Buchstaben friesischer Gedichte. Zusammen bilden sie eine Route der Poesie durch die Leeuwarder Altstadt.

Zuletzt aktualisiert am 26. August 2017 um 14:24

Meine Radioreportage für den „Sonntagsspaziergang“ im Deutschlandfunk:

Unternehmergeist, Beharrlichkeit und Gemeinschaftssinn:

Das kleine Leeuwarden will 2018 als Europäische Kulturhauptstadt ganz groß rauskommen

von Robert B. Fishman

Leeuwarden. In den Grachten schimmert das gelbliche Licht der schmiedeeisernen Straßenlaternen. Auf dem  Straßenpflaster glitzern die hellen Buchstaben friesischer Gedichte. Zusammen bilden sie eine Route der Poesie durch die Leeuwarder Altstadt.

Mit einem Elektroboot gleitet eine Gruppe Touristen durch die Kanäle der Innenstadt vorbei an rötlich-braunen Backsteinfassaden mit bodentiefen gardinenlosen Fenstern. Junge Leute radeln auf schweren Hollandrädern gemächlich über die von unten blau beleuchteten Brücken. Viele haben ihre Lenker mit Blumen dekoriert. Auf den zahlreichen Bänken an der breiten, weitgehend autofreien Nieuwestad zu beiden Seiten der Hauptgracht sitzen Menschen entspannt in der Abendsonne. In den Kneipen und Straßencafés genießen die Leeuwarder den Feierabend. Europas Kulturhauptstadt 2018 lässt es ruhig angehen.

2013 erbautes Friesisches Museum in Leeuwarden, 10.6.2017, Foto: Robert B. Fishman

Kleine Großstadt

Eine „kleine Großstadt“ nennt Mario Kristmann seine Wahlheimat. Der 28jährige Deutsche fühlt sich in Frieslands Hauptstadt „wie auf dem Dorf“. Leeuwarden, mit gut 100.000 Einwohnern größter Ort der Region, ist für Mario „groß genug, um anderen auch aus dem Weg gehen zu können und so überschaubar, dass man Netzwerke aufbauen und pflegen kann.“ Der kräftige junge Mann kam wie viele zum Studieren und blieb. Er liebt den weiten Himmel über der flachen friesischen Landschaft, das Spiel der leuchtenden Farben in Wind und Sonne – und die inspirierende Atmosphäre der Stadt. Viele der etwa 16.000 Studierenden seien als Künstler, Filmemacher oder Mediengestalter „kreativ unterwegs“. Leeuwardens drei Universitäten bieten neben Technik und Naturwissenschaften diverse Kunst- und Medien-Studiengänge an.

Jamila Faber hat an der Akademie für Popkultur eine Mischung aus Musik, Kunst und Marketing studiert. Jetzt ist die 27jährige Stadskunstenaar, Stadtkünstlerin. Für mindestens vier Projekte im Jahr bekommt sie aus dem Rathaus ein festes Honorar. „Die vertrauen mir“, freut sich die Künstlerin mit den wachen dunklen Augen. Jamila ist ständig in Bewegung. Voller Energie schwärmt sie zum Beispiel von ihrer Aktion zum Valentinstag: Mit Kreide schrieb sie mit einigen Mitstreitern Gedichte über Liebeskummer auf die Straßen der Altstadt. Die Kreide sei wie die Liebe: „Heute strahlt sie. Und der nächste Regen wäscht sie weg.“

Ihre Performances, Songs, Gedichte und Theaterstücke entstehen aus poetischen Momenten wie diesem und aus Begegnung wie dem Gespräch mit einer Afrikanerin, die auf Facebook wegen ihrer schwarzen Hautfarbe laufend anzügliche Botschaften erhielt. Jamila schrieb darüber ein Lied wie über einen geheimnisvollen Typen, der jeden Abend in einem Fußgängertunnel stand und plötzlich für immer verschwand.

ehemaliges Gefängnis Blokhuispoort in Leeuwarden wird zu einem Kulturzentrum umgebaut: Eingang zum Club Asteriks, 10.6.2017, Foto: Robert B. Fishman

Stadt der Selbermacher

Sie will Menschen berühren, zum Mitmachen bewegen. Reaktionen aus dem Publikum greift sie sofort auf. „Community Art“ nennt sie ihr Konzept, das die städtische Jury überzeugte. Aus 50 Bewerbern wurde sie zur Stadtkünstlerin gewählt.

Leeuwarden beschreibt Jamila als „DIY-City“, eine Stadt der Selbermacher. Den Club Asteriks gründeten drei engagierte Leute, weil nirgends Bands zu bezahlbaren Preisen auftreten konnten. Als die Gründer hörten, dass das ehemalige Gefängnis zum Kulturzentrum umgestaltet werden sollte, schlugen sie der Stadt eine „Zwischennutzung“ vor.

Um Hausbesetzungen zu verhindern bieten viele niederländische Gemeinden Anti-Kraak-Wohnen an. Man mietet ein freies Haus oder einzelne Räume für wenig Geld und verpflichtet sich, jederzeit auszuziehen, wenn sich ein neuer Dauernutzer findet, das Objekt abgerissen oder umgebaut wird. So kamen die Musikfans an einen nicht genutzten Teil der ehemaligen Haftanstalt, bauten Theke, Bühne und eine Musikanlage ein. Hinter einer schweren Eisentür mit vergitterter Luke feiern nun jedes Wochenende junge Leute im einstigen Knast ohne jemanden zu stören. Durch die dicken Backsteinmauern des 150 Jahre alten Baus in bester Innenstadtlage dringt kaum ein Ton nach draußen.

Unternehmergeist, eine direkte, zupackende Art, Beharrlichkeit und einen ausgeprägten Sinn für Gemeinschaft nennt Rouke Hoek die wichtigsten Eigenschaften seiner Landsleute. Er spricht für das Friesische Museum. Es erzählt die Geschichte der als eigensinnig und weltabgewandt verschrienen Provinz.

„Ein zerbrochener Spiegel der alten niederländischen Kultur“

Der Flame Lieven Bertels, bis Mitte Juni Direktor der Europäischen Kulturhauptstadt 2018, hat sich intensiv mit der Geschichte des Landes beschäftigt. Leeuwarden liege wie viele friesische Gemeinden unter dem Meeresspiegel. „Sie existieren nur, weil die Menschen sich angesichts der Naturgewalten zusammengeschlossen haben.“ Weit ab vom dicht besiedelten Holland legten die Friesen im frühen Mittelalter Hügel an, um sich vor den immer wiederkehrenden Sturmfluten der Nordsee zu retten.

Die Stadt Leeuwarden entstand auf drei solcher Terpen, die über die Jahre zusammenwuchsen, als sich die See allmählich zurückzog.

Später baute man gemeinsam Deiche und Kanäle. Auf diesen fuhren bis ins 19. Jahrhundert neben zahlreichen Lastkähnen von Menschen und Tieren gezogene Linienschiffe, die Trekschouten, bis nach Amsterdam und in den Süden der Niederlande. So hatte Friesland lange vor dem Bau der Eisenbahn ein öffentliches Verkehrsnetz.

Die Region erscheint Lieven Bartels mit ihren Grachten, den in die weite flache Landschaft gestreuten Bauernhöfen und stillen Dörfern „wie ein zerbrochener, angelaufener Spiegel der alten niederländischen Kultur“. Viele Traditionen, die die Moderne anderswo unter sich begraben hat, leben hier weiter. Noch heute träfen sich vielerorts die Bauern auf einem neutralen Grundstück zur Aussprache, um Konflikte friedlich beizulegen. Der Stabsprung über Kanäle, einst alltägliches Fortbewegungsmittel, ist als Sportart erhalten geblieben, ebenso die Skûtsjes, lange flache Segel-Lastkähne, die die Friesen speziell für das seichte Wattenmeer entwickelt haben.

Die Rache des großen Peter

Das Friesische Museum präsentiert in seiner Dauerausstellung ein 2,13 Meter langes, schon etwas angerostetes Schwert. Es gehörte dem Nationalhelden Grutte Pier, dem großen Peter. Nachdem Invasoren aus dem Süden im frühen Mittelalter seinen Hof zerstört und seine Frau ermordet hatten, sann der Bauer auf Rache. Auf  dem heutigen Ijsselmeer verfolgte er holländische Schiffe. Zahlreiche Legenden ranken sich um den Mann. Mit dem Satz „Butterbrot und grüner Käse, wer das nicht sagen kann, ist kein echter Friese“ habe er seine Gefangenen auf ihre Herkunft getestet. Wer den friesischen Spruch nicht aufsagen konnte, wurde mit dem langen Schwert geköpft oder auf die Planken des Bootes genagelt und versenkt.

Hafengracht mit Straßencafes in Harlingen, 10.6.2017, Foto: Robert B. Fishman

Eine eigensinnige weltoffene Gemeinschaft

Friesische Seeleute segelten damals bis nach Indien. Mittelalterliche Fundstücke im Museum belegen regen Handel mit Skandinavien, Südeuropa, dem nahen und mittleren Osten. Sneek, Harlingen und andere Hafenstädte der Region waren lange vor Amsterdam reiche Metropolen.

Beharrlichkeit, Eigensinn und die Mienskip, zu Deutsch etwa Gemeinschaftsgeist, haben sich die Friesen als Markenzeichen bewahrt. Damit gewannen sie als Außenseiter das Rennen um den Titel Europäische Kulturhauptstadt 2018.

Metropolen wie Utrecht oder Den Haag hatten ihre Bewerbung längst eingereicht, als ein paar junge Leeuwarder auf die Idee kamen, die Kulturhauptstadt nach Friesland zu holen. Sie brachten einen Stein ins Rollen, den anfangs niemand ernst nahm. Ein Städtchen im fernen Nordwesten, allenfalls bekannt für Kühe, Kondensmilch oder seltene Wattvögel, wollte Europas Kulturhauptstadt werden.

Entgegen aller Erwartungen entschied sich die Auswahljury für die Idee, Friesland 2018 als europäische, weltoffene Gemeinschaft zu präsentieren. Mit einem Etat von rund 70 Millionen Euro aus den Kassen von Stadt, Region und Staat hat das Kulturhauptstadtbüro inzwischen mehr als 100 Projekte angestoßen: Unter dem Titel „Behind the Front Door“ (hinter der Eingangstür) drehen Profis mit Jugendlichen aus einem der ärmsten Wohngebiet der Niederlande am Stadtrand von Leeuwarden einen Film über ihren Alltag.

Neben sozialen Themen geht es um nachhaltige Entwicklung und Ökologie. Mit einer Geschichte über den friesischen Wattvogel Godwit, einer Schnepfenart, die einst den 100-Gulden-Schein zierte, wollen die Planer weltweite Zusammenhänge aufzeigen: Weil Frieslands Felder zu Monokulturen für Futtergras geworden sind, finden die Zugvögel kaum noch Nahrung. Deshalb ziehen sie immer früher in ihre afrikanischen Winterquartiere, wo sie den dortigen Bauern die Aussaat wegfressen. „Und was passiert dann?“, fragt Kulturhauptstadt-Manager Bertels: Die Menschen fliehen in die großen Städte oder zu uns.

modern-minimalistisches Cafe mit Geschenke- und Kinderkleidungsladen Blikspuit in Leeuwarden, , 10.6.2017, Foto: Robert B. Fishman

Kulturhauptstadt von unten

Mit ihren Projekten liefern Bertels und seine Mitarbeiter Ideen für die Zukunft des ländlichen Raums. In der Hoffnung auf Jobs und ein besseres Leben verlassen die jungen Leute ihre Dörfer. Die industrialisierte Landwirtschaft braucht kaum noch Arbeitskräfte. Dorfläden und -Kneipen geben auf, Schulen schließen. „Wird aus dem Land eine Spielwiese für Reiche, eine Lagerstätte für die Armen oder ein Freilichtmuseum?“, fragt Bertels.

„Unter den Türmen“ heißt ein Projekt, das leerstehenden Dorfkirchen neues Leben einhauchen will. „Schatzkammern voller Geschichten“ nennt Initiatorin Tamara Schoppert Frieslands Dörfer. Die Leute aus den Ortschaften seien erst skeptisch gewesen, machten jetzt aber begeistert mit. In einer an Schnitzereien reichen Kapellen planen sie eine Schnitzwerkstatt mit einem international bekannten Künstler.

Schoppert, selbst Schauspielerin und Regisseurin, erzählt von einer streng calvinistischen Gemeinde, die während des Zweiten Weltkriegs Evakuierte aus dem katholischen Süden der Niederlande aufnehmen musste. Nach anfänglichen Widerständen seien die Menschen miteinander ausgekommen, manchen hätten neue Freunde gefunden. Lieven Bertels berichtet von einem Dorf, das die Flüchtlinge aus Afghanistan, Syrien und Afrika als Chance erkannt habe. Anwohner hätten gemeinsam ein leerstehendes Haus gekauft, um es einer syrischen Familie zu überlassen, damit wieder Leben in den Ort kommt.

Die Kulturhauptstadt versteht sich als Begleiter all dieser Ideengeber. Viele kommen wie einst die Bewerbung aus der Mitte der Bevölkerung. Bertels und seine Leute „helfen bei Organisation, Marketing, Vernetzung und Budgetierung.“

Rund 800 lokale Initiativen machen inzwischen mit. Marten Winters zum Beispiel will mit seinem Projekt „Der achte Tag“ vor allem Menschen zusammenbringen, die einander sonst nie begegnen. Er plant ein Riesendomino aus Matratzen, das Eingang ins Guinessbuch der Rekorde finden soll. Von überall her werden Leute mit ihren Schlafunterlagen nach Leeuwarden kommen und sich damit zu einem Dominospiel aufbauen. In Schulen und Kindergärten will Winters Kindern helfen, ihre Fantasien zu verwirklichen. „Die Erwachsenen reden Kindern ihre Ideen oft als Spinnereien aus“, beklagt er. „Wir fragen sie nach ihre Träumen.“ Ein Junge habe sich beispielsweise gewünscht, dass eine Kuh zwischen zwei Kirchtürmen auf einem Seil balanciert. Mit den 3D-Drucker kein Problem.

Die Idee hinter alledem: Scheinbar Unmögliches in einer starken Gemeinschaft verwirklichen, indem man Neues zusammen ausprobiert.

Mit dieser Einstellung sorgt das kleine Friesland immer wieder für Überraschungen.

Die Recherche zu diesem Beitrag wurde unterstützt vom Niederländisches Büro für Tourismus & Convention (NBTC). Herzlichen Dank!

Leeuwarden Info:

Niederländisches Büro für Tourismus(NBTC)

Städtische Tourist-Info, Sophialaan 4

Europäische Kulturhauptstadt 2018:  Neben vielen regionalen Projekten präsentiert eine große Ausstellung Werk und Leben des Leeuwarder Grafikers und Künstlers MC Escher. Mit der als Kurtisane bekannt gewordenen und im Ersten Weltkrieg als (angebliche) Spionin hingerichteten Mata Hari befasst sich ab Oktober 2017 eine weitere Ausstellung im Friesischen Museum. 1876 kam die spätere Tänzerin als Margaretha Geertruida Zelle in Leeuwarden zur Welt. „Wir zeigen ihr ganzes Leben“, verspricht Museumssprecher Rouke Hoek. Jüngst gefundene Briefe und Tagebücher bewiesen, dass sie nicht nur Lebefrau und Nachtclubtänzerin war. „Sie war auch eine liebevolle Mutter.“ Weil sie damals als geschiedene Frau in den Niederlanden keine Chance hatte, ihren Lebensunterhalt zu verdienen und ihr Kind nicht sehen durfte, ging sie nach Paris. Die zweite Europäische Kulturhauptstadt 2018 ist Valetta, Malta.

ehemaliges Gefängnis Blokhuispoort in Leeuwarden wird zu einem Kulturzentrum umgebaut: Büro der Europäischen Kulturhauptstadt 2018 mit Logo, 10.6.2017, Foto: Robert B. Fishman

Stadtführungen: Stadtrundgänge zu verschiedenen Themen (Bier, Street Art, Spuren der Nassauer u.a.) veranstaltet „A Guide to Leeuwarden“. Zum Nachlesen gibt es Stadtpläne, Tipps und Stadt- Nieuwesteeg 6B, Tel. +31 6 15314728.

Bootstouren auf den Grachten und Kanälen der Stadt bietet Greenjoy Leeuwarden . Hier kann man auch Elektroboote mieten, Tel. +31 058 5853707

sehenswert:

Der schiefe Turm von Leeuwarden: Weil ihn seine Architekten im 16. Jahrhundert teilweise auf Sand gebaut haben, steht der Oldehove heute noch schiefer als der berühmte Turm in Pisa. Baumeister Jakob van Aaken ist nach diesem Debakel und anderen Fehlschlägen in Depressionen verfallen und hat sich vermutlich das Leben genommen. Heute bietet der Turm in rund 40 Metern Höhe freie Aussicht über die Stadt, Oldehoofsterkerkhof 1,

Jakobinerkirche: Die größte mittelalterliche Kirche der Stadt steht seit mehr als 700 Jahren am Jacobijnerkerkhof. Erbaut im gotischen Stil beherbergt sie eine bekannte Orgel von Christian Müller aus dem 18. Jahrhundert.

Waag: In der 1590 erbaute Stadtwaage, eines der schönsten alten Bauwerke der Stadt, serviert heute ein Restaurant heimische Küche, Nieuwstad 148

Die vier Pelikane: Kleinstes Jugendstiltheater Europas nennt sich die Kleinkunstbühne mit ihren 33 Plätzen in einem ehemaligen Versicherungsgebäude von 1904, Tweebaksmarkt 48, Besichtigung nach Vereinbarung.

Museen:

Friesisches Museum: Frieslands Eigenheiten und Geschichte zeigt das Fries Museum am Wilhelminaplein 92. Eine Aussenstelle erzählt die Geschichte der Kinder, die den Zweiten Weltkrieg bei friesischen Bauern überlebten, von Besatzung, Verfolgung und Widerstand. Fries Verzetsmuseum, Ruiterskvartier 92

 

 

 

Museum de Grutterswinkel: Einen Kramerladen aus dem frühen 20. Jahrhundert halten 40 Ehrenamtlich am Laufen. Die Einrichtung von Laden, Schlaf-, Mädchen- und Wohnzimmer ist original erhalten. Am Tresen gibt es wie einst bei Tante Emma die Bonbons von Hand ins Papiertütchen sortiert. Im ehemaligen Wohnzimmer servieren sie Tee, Kaffee und friesische Leckereien zu zivilen Preisen. Nebenan kann man sich eine original erhaltene Schnapsbrennerei und im Untergeschoss den Weinkeller ansehen, Nieuwesteeg 5

Prinzessinnenhof: In einem Adelspalast aus dem 18. Jahrhundert residiert u.a. das Keramikmuseum, das Besucher immer wieder mit ausgefallenen Ausstellungen anlockt. Bis Oktober 2017 zeigt es unter dem Titel „Sexy Ceramics“ erotische Keramiken. Danach widmet es sich zum Europäischen Kulturhauptstadtjahr unter dem Titel “Migrating Ceramics“ der Wanderung und den Begegnungen von Töpfern und ihren Techniken aus verschiedenen Kulturen, Grote Kerkstraat 11

Ausgehen:

Nashorn: Konzerte, DJ-Nächte, Lesungen, Poetry-Slams, Bingo-Abende und mehr veranstaltet das Kulturzentrum Neushoorn (Nashorn). Im Café kann man drinnen und draußen sitzen, Ruiterskwartier 41

Blokhuispoort: Der einst als Festung erbaute und bis 2007 als Gefängnis genutzte Backsteinbau wird zur neuen Bibliothek und einem städtischen Kulturzentrum umgebaut. Während der Bauphase nutzt u.a der gemeinnütziger Club Asteriks einen Zellentrakt für Parties und Konzerte. In einige der Zellen sind Büros und kleine Läden eingezogen.

Zum Museumsladen umgenutzer Tante-Emma-Laden von 1904 in Leeuwarden, 10.6.2017, Foto: Robert B. Fishman

Cafés:

Überall in der Stadt finden sich ausgefallene, kleine inhabergeführte Cafés wie das minimalistisch eingerichtete Blikspuit mit seiner großen Kinderspielecke und den angeschlossenen Laden für ausgefallene Kleinigkeiten, Kelders 28

Grand Café: Investoren haben das ehemalige Hauptpostamt von 1885 zu einem mondänen Café im Stil der 1920er Jahre umgebaut. Mit seiner Holzdecke und den hohen arkadengeschmückten Wänden erinnert das Innere des Gebäudes an ein Kirchenschiff. Das angrenzende 4-Sterne-Hotel Post-Plaza in einem ebenfalls denkmalgeschützten ehemaligen Bankgebäude nutzt das Café-Restaurant u.a. als Frühstücksraum. 42 der Hotelzimmer liegen ebenfalls im ehemaligen Postamt. Hotel und Café bieten exzellenten Service zu gehobenen Preisen. Widerstandskämpfer verhinderten 1944, dass die abziehenden Deutschen das Baudenkmal in die Luft jagten. Während de Besatzer mit einer Autopanne ihres Kommandanten beschäftigt waren, tauschten sie den bereits verlegten Sprengstoff gegen Attrappen aus. So misslang die Sprengung, Tweebaksmarkt 25-27

Schlemmertour durch Leeuwarden auf dem Blog Nach Holland

Einkaufen:

Wenige Klein- Mittelstädte haben noch so viele originelle kleine Läden wie Leeuwarden, zum Beispiel der Papierwarenladen Kabinett, Kelders 27

Für ihre vielen kleinen Geschäfte und Cafés erhielt die Kleine Kerkstraat 2010 die Auszeichnung „netteste Einkaufsstraße der Niederlande“. 25 kleine Leeuwarder Geschäfte haben sich inzwischen als Fair-Trade-Läden zertifizieren lassen. Dafür müssen sie wie Kabinett nachweislich mindestens sechs verschiedene Produkte aus fairem Handel im Sortiment führen.

Jeden Freitag ist Markt vor dem Friesischen Museum. Samstags gibt es einen kleinen Markt vor der Alten Waage am Waagplein und am letzten Sonntag des Monats ist der Zinderende-Markt mit Musik und vielen Veranstaltungen.

Street Art Graffito in der Altstadt von Leeuwarden, 10.6.2017, Foto: Robert B. Fishman

Friesisch:

Dank ihres Eigensinns haben die Friesen ihre Sprache erhalten. Mehr als die Hälfte der rund 650.000 Einwohner der Provinz sprechen Friesisch, Gut zwei Drittel verstehen es. Friesisch-Kurse sind im ganzen Land gefragt. Auch viele junge Leute lernen die alte Sprache, weil sie sich dann besser mit Kollegen oder den Eltern ihrer Freunde verständigen können. Infos zur Sprache, zu Kursen, Bücher, Lern- und Musik-CDs, Souvenirs hat der Laden des Sprachinsituts Afûk-Stiftung (Allgemeine Friesische Unterrichtskommission), Bûterhoeke 3 (neben dem Oldehove-Turm)

Veranstaltungen:

Seit den 80er Jahren haben junge Leute nach dem Motto „Hier ist nichts los. Dann machen wir etwas“ zahlreiche Festivals gegründet, die seitdem jedes Jahr stattfinden.

Winter:

11-Städte Tour: Wenn die Kanäle zugefroren sind richten elf friesische Städte das härteste Eislauf-Rennen der Welt aus. Über mehr als 200 km rasen die Schlittschuhläufer Tag und Nacht um die Wette. Rekordzeit: 6 Stunden und 47 Minuten. Wer kann, fährt ein Stück mit – und wenn es auch nur bis zur nächsten Kneipe ist. Zuletzt war es 1997 kalt genug für die Elfstedentocht. Das Rennen hat die Kulturhauptstadt-Macher zum Projekt 11 Springbrunnen inspiriert. International bekannte Künstler bauen mit Einheimischen in den elf beteiligten Städten je einen Springbrunnen, die sie nach lokalen Geschichten und Legenden gestalten. Die Brunnen sollen über 2018 hinaus zu beliebten Treffpunkten und Wahrzeichen der Orte werden.

Bunte Schirme hängen als Dekoration vor blauem Himmel auf dem Oreol-Festival in West-Terschelling, 10.6.2017, Foto: Robert B. Fishman

Sommer:

Skutsegeln: Für ihre flachen Gewässer entwickelten die Friesen lange Fracht-Segelboote ohne Kiel. Die Skûtjes brachten einst die Waren zu den abgelegenen Bauernhöfen und holten dort die Ernte ab. Für Einheimische und Touristen organisiert die Zentrale Skutsegelkommission SKS jeden Sommer Wettfahrten mit den alten Lastschiffen, von denen viele zum Beispiel im Hafen von West-Terschelling liegen. Manche dienen als Hausboote, andere als Freizeitvergnügen.

Fierljeppen: Um schnell die vielen Kanäle und Entwässerungsgräben zu überqueren nutzten die Friesen früher Stäbe, mit denen sie wie im Stabhochsprung trocken übers Wasser gelangten. Daraus hat sich eine Sportart entwickelt, in der es Turniere und andere Wettkämpfe gibt.

Juni:

Oerol: Tanz-, Musik-, Kunst- und (Straßen-) Theaterfestival verteilt auf fast 40 Standorte in Orten und der Landschaft auf der Insel Terschelling mit mehr als 50.000 Besuchern auf rund 150 Konzerten, in 16 Ausstellungen und vielen Open-Air-Theater-Aufführungen

Elektronik-Festival Promised Land 

Juli:

Musik- und Theaterfestival Welcome to the Village

ab Sommer 2017: Lion City:  Hip Hop Festival, Poetry-Workshops und mehr mit und von Jugendlichen aus Leeuwarden

August: Psy Fi Festival für psychodelische Musik

Alte Segelschiffe im Hafen von West Terschelling, 10.6.2017, Foto: Robert B. Fishman

Ausflüge:

Von Harlingen (ca. 30 km westlich, 20 Minuten mit der Bahn) fahren die Fähren auf die westfriesischen Inseln Vlieland und Terschelling. An Sommer-Wochenenden sind die Schiffe oft ausgebucht. Auf dem Weg liegt das Städtchen Franeker. Gegenüber dem reich verzierten Rathaus findet sich dort das zum Museum umgebaute älteste funktionierende Planetarium der Welt. Im 18. Jahrhundert baute es der Wollkämmer Eise Eislinga in seiner Freizeit aus Holz. Angetrieben wird es von Gewichten an Ketten, Eise Eisingastraat 3

Verkehr:

Die Altstadt ist klein und am besten zu Fuß zu erkunden. Die meisten Straßen sind für Autos gesperrt oder so eng, dass man mit dem Wagen nicht durchkommt.  Parkplätze sind knapp und teuer. Alternative: Ein Fahrrad, das man sich bei mehreren Anbieter mieten kann, zum Beispiel in der VVV Tourist-Info, Sophialaan 4, Tel. +31 58 2347550 oder am Bahnhof (NS-Station), Tel. +31 58 2139800. Wer es ausgefallener mag, findet Lastenräder, Tretroller, E-Bikes, Kinderanhänger und mehr

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Von Robert B Fishman

freier Journalist, Autor (Hörfunk und Print), Fotograf, Moderator, Reiseleiter und mehr

4 Antworten auf „Leeuwarden, Europäische Kulturhauptstadt 2018“

Leeuwarden: Wissen Sue das im Sommer 2018 die grösste gehäkelte Dekke der Welt presentiert wird in das Thema „verbindung der Menschen“‚ Machen Sie mit? #GGDW

Danke für den informativen Supertip! Da will ich nächstes Jahr unbedingt hin! Die Niederländer haben so viele gute Ideen, es macht immer wieder Spaß von einer weiteren zu lesen. Danke.
Liebe Grüße
Steffi

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