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Versteckte Kunst: Planlos in Münster

Münster/Westfalen. Bis zum 1. Oktober 2017 zeigen 35 Künstlerinnen und Künstler ihre Werke in Münster im Rahmen der Skulptur Projekte auf Straßen und Plätzen, in Hinterhöfen, versteckten Wohnungen, im Hafen und in einer Diskothek.

Münster. Gruppen überwiegend älterer Herrschaften irren mit Plänen und Smartphones in der Hand durch Straßen und Parks in Münster. „Wissen Sie, wo das Werk von Schütte steht“, fragt mich ein junger Mann, der auf dem Fahrrad vorbeikommt. Die App auf seinem Smartphone findet den Weg nicht. Auch mein ipad, auf dem ich mir ebenfalls die App der Skulptur-Projekte Münster installiert habe, findet keine Antwort. Auf dem gedruckten Plan, den die Touristen im Museum für Kunst und Kultur  in die Hand bekommen, sind die meisten Werke verzeichnet. Allerdings ist der nicht genau genug, um die Skulpturen und Installationen im öffentlichen Raum zu finden. Auch mein Google-Handy mit der Android-App zeigt die Wege gar nicht oder nur ungenau an. Die Anwendung verlinkt zu google maps – nicht mehr als eine grobe Orientierung.

Skulptur-Projekte Münster: Giant Pool Balls von Claes Oldenurg, 1977 am Aasee in Münster , 10.8.2017, Foto: Robert B. Fishman

Münster verwandelt sich in ein lebendiges Freilichtmuseum für bildende Kunst

Die vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe LWL und der Stadt Münster seit 1977 alle zehn Jahre organisierte Ausstellung „Skulptur Projekte“ bringt die Menschen ins Gespräch. Leute stehen um die Kunstwerke, denken nach, stellen Fragen,  diskutieren. Zu Fuß oder auf Fahrrädern führen junge Leute Besuchergruppen zu den Installationen, erklären Hintergründe, beantworten Fragen.

35 Installationen, Skulpturen, Performances und andere Werke von Künstlern aus aller Welt haben die Macher über die ganze Stadt verteilt. Dazu kommen zahlreiche Werke wie die Riesen-Billardkugeln am Aa-See, die von den den vergangenen vier Skulptur-Projekten erhalten geblieben sind.

Skulptur-Projekte Münster: zwei Frauen in bunten Kopftüchern beobachten die Installation On water von Ayse Erkmen im Hafen von Münster, 10.8.2017, Foto: Robert B. Fishman

Kunst bringt die Menschen miteinander ins Gespräch

Im ehemaligen Industriehafen mit seinen backsteinernen Speicherhäusern, der sich in ein Ausgeh- und Kneipenviertel verwandelt hat, laufen Besucher über das Wasser. Nicht ganz: Künstlerin Ayşe Erkmen hat einen Unterwasser-Steg durch den Kanal legen lassen, über den die Menschen watend von einem Ufer zum anderen gelangen. Eine Anspielung auf die lebensgefährlichen Wege der Flüchtlinge unserer Tage – oder ein Symbol für unsere immer komplizierter werden Welt, in der sich alles ständig verändert und die Menschen immer weniger Halt finden? Vielleicht.

Der 1972 in Bremen geborene Künstler Aram Bartholl beschäftigt sich mit der Digitalisierung unseres Alltags. 2010 ließ er im Projekt Dead Drops USB-Sticks als tote Briefkästen in Hauswände mauern. Damit wollte er zeigen, wie sich Daten jenseits des überwachten Internet  anonym austauschen lassen.

Skulptur-Projekte Münster: Aram Bartholl: 3V , 10.8.2017, Foto: Robert B. Fishman

In Münster ist er mit den Installationen 3, 5 und 12 Volt vertreten. In einer Fußgängerunterführung erzeugen Teelichter über eine thermo-elektrische Konstruktion Strom, mit dem Kronleuchter den tristen Tunnel erhellen. An einem Lagerfeuer neben dem „Kulturzentrum Pumpenhaus“ laden Passanten ihre Handys auf. Die Wärme des Feuers treibt einen Generator an, der den Ladestrom produziert. Auf dem Spielplatz am Fernmeldeturm platziert Bartholl einen Ofen, der über einen Thermogenerator den am Turm befestigten Router mit Strom versorgt. Besucher/innen können sich per WLAN in eine Offline-Datenbank einloggen und dort Anleitungen für das Leben ohne Internet herunter- und eigene Dateien hochladen.

Skulptur-Projekte Münster: Provisional Studies: Workshop #7 How to Live Together and Sharing the Unknown [Provisorische Studien: Workshop #7 Wie zusammen leben und das Unbekannte teilen] , 10.8.2017, Foto: Robert B. Fishman

Wie wollen wir zusammenleben

Neben dem fröhlichen Wasserspiel im Hafen und der Feuerkunst berührt  mich die Installation des Japaners Koki Tanaka. Unter dem Titel „How to live together“ (Wie wollen wir zusammenleben) hat er acht Münsteraner/innen unterschiedlicher Generationen und Herkunft zu Workshops eingeladen. Neun Filme dokumentieren die gemeinsam verbrachte Nacht in der Turnhalle auf Gymnastikmatten, das Kochen eines Rezeptes aus Kriegszeiten, das Interview mit einem Globalisierungsexperten aus Syrien und Bewegungsübungen in einem ehemaligen Atombunker.

In einem der Filme erklären ganz unterschiedliche Menschen, was Würde für sie bedeutet. In einem anderen erzählt eine Afroamerikanerin, wie sich ihr Schwiegervater von einem der militantesten Rassisten Australiens zu einem liebe- und verständnisvollen Menschen gewandelt hat, der nun Aborigines hilft. Zu sehen sind die Filme in einem Bunker aus der Zeit des Kalten Krieges.

Skulptur-Projekte Münster: Provisional Studies: Workshop #7 How to Live Together and Sharing the Unknown [Provisorische Studien: Workshop #7 Wie zusammen leben und das Unbekannte teilen] , 10.8.2017, Foto: Robert B. Fishman

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Skulptur-Projekte Münster: auf den Boden gesprühter roter Wegweiser mit dem Kogo des Projekts in Münster, 10.8.2017, Foto: Robert B. Fishman

Wir hatten Mühe, auch diesen in einem Hinterhof versteckten Ort zu finden. Nur gelegentlich weist ein auf den Boden gesprühtes rotes Logo der Skulptur Projekte den Weg. Manchmal wissen Passanten den Weg. Viele wollen uns helfen, kennen sich aber selbst nicht aus. Zwei Cafébesucher weisen uns auf die „Gebrauchsanweisung Skulptur-Projekte 2017“ von Gerhard Heinrich Kock hin. Das Heft aus dem Aschendorff-Verlag bekomme man in einigen Buchläden. Der LWL vertreibe es nicht, weil man es dort als Konkurrenz zu den eigenen Infomaterialien (Heft, App und Plan) empfinde. Der Plan in der “Gebrauchsanweisung” ist deutlich genauer. Allerdings, so erzählt mir einer der Studenten, der für den LWL auf ein Kunstwerk aufpasst, sei das Heft des Verlags voller Fehler. Die Infos hätten die Autoren – zum Teil falsch – abgeschrieben.

Skulptur-Projekte Münster: Installation Proud America von Christian Nachtigäller, 10.8.2017, Foto: Robert B. Fishman
Skulptur-Projekte Münster: Nuclear Temple von Thomas Schütte, 10.8.2017, Foto: Robert B. Fishman
Skulptur-Projekte Münster: Tender, Tender von Michael Dean im LWL Museum für Kunst und Kultur , 10.8.2017, Foto: Robert B. Fishman
Skulptur-Projekte Münster: Tender, Tender von Michael Dean im LWL Museum für Kunst und Kultur , 10.8.2017, Foto: Robert B. Fishman

 

 

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Von Robert B Fishman

freier Journalist, Autor (Hörfunk und Print), Fotograf, Moderator, Reiseleiter und mehr

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